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Fahrradgeometrie: die Basics

Fahrradgeometrie, ein Begriff, den wohl die wenigsten im Hinterkopf haben dürften, wenn es um die Wahl des passenden Fahrrads geht. Dabei gilt die Geometrie aufgrund ihres maßgeblichen Einflusses auf Ansprechverhalten, Komfort und Handling als einer der wichtigsten Aspekte, die es beim Kauf eines neuen Bikes zu beachten gilt. Steuerrohrwinkel, Oberrohrlänge, Tretlagerhöhe, Reach und Stack… All diese Faktoren haben einen großen Einfluss darauf, wie das eigene Körpergewicht auf dem Rad verteilt wird, wie das Fahrrad in Kurven reagiert, wie stabil es bei hohen Geschwindigkeiten ist und wie komfortabel und leicht es sich fahren lässt. Schauen wir uns die einzelnen Faktoren nun etwas genauer an:

Steuerrohrwinkel

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Der Steuerrohrwinkel bezeichnet die Neigung des Steuerrohrs, das den Lenker mit der Gabel verbindet. Je größer der Winkel, umso schneller und umso leichter ist das Fahrrad vorne. Allerdings ist es auch instabiler und weniger komfortabel zu fahren. Ein größerer Winkel ist wie gemacht für technisches Gelände und Wettkämpfe. Je kleiner der Winkel, desto komfortabler und stabiler fährt sich das Rad, gleichzeitig ist es aber auch weniger wendig und reaktionsfreudig. Ein kleinerer Steuerrohrwinkel eignet sich daher besonders für all jene, die es beim Tritt in die Pedale gerne ein bisschen gemütlicher angehen lassen.

Rennräder haben in der Regel einen Winkel von ca. 70-73°. Dieser Winkel ermöglicht es dem Rennradfahrer, eine Einheit mit dem Lenker zu bilden, schnell zu beschleunigen und mühelos zu klettern. Downhill-Räder dagegen haben meist einen Winkel von ca. 63°, der die Stabilität bei Abfahrten und auf technischen Strecken gewährleisten soll und verhindert, dass Rad und Fahrer vornüber kippen.

Steuerrohrlänge

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Die eingangs erwähnte Länge des Steuerrohrs hat einen großen Einfluss auf den Stack, auf den wir später noch näher eingehen werden. Ein längeres Steuerrohr bedeutet einen höheren Lenker und damit eine bequemere Körperhaltung auf dem Rad. Gerade bei Endurance-Rennrädern eine wichtige Eigenschaft. Bei Zeitfahrrädern sind die Rohre zugunsten der Aerodynamik dagegen deutlich kürzer.

Die Steuerrohrlänge kann zwar nicht gekürzt, aber durch den Einbau von Spacern in das (ungekürzte) Gabelrohr verlängert werden. Wir sagen hier ausdrücklich “kann”, denn empfehlenswert ist es nicht.

Nachlauf und Gabelversatz

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Nachlauf und Gabelversatz, zwei Maße, die miteinander korrelieren:

Unter Nachlauf versteht man den Abstand zwischen der Lenkachse und dem Punkt, an dem das Vorderrad den Boden berührt. Dieser Abstand wird durch Winkel und Länge des Steuerrohrs bestimmt.

Der Begriff Gabelversatz bezeichnet den Abstand zwischen Vorderradmitte und Lenkachse. Über ihn können der Nachlauf ohne vorherige Modifikation des Lenkachswinkels verringert oder vergrößert und der Radstand (Abstand zwischen den beiden Radachsen) eingestellt werden. Ein größerer Versatz bedeutet einen kleineren Nachlauf und umgekehrt.

Beide Maße haben Einfluss auf das Ansprechverhalten und das Handling des Fahrrads. Ein größerer Nachlauf bedeutet, dass das Fahrrad bei hohen Geschwindigkeiten stabiler und bei niedrigen Geschwindigkeiten weniger leicht zu händeln ist. Umgekehrt bedeutet ein kürzerer Nachlauf, dass das Fahrrad wendiger und vorne leichter zu manövrieren ist, aber bei höheren Geschwindigkeiten auch instabiler werden kann.

Oberrohrlänge

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Die Oberrohrlänge meint den Abstand zwischen Steuerrohr und Sitzrohr. Unterschieden wird zwischen zwei verschiedenen Arten von Oberrohrlänge, der tatsächlichen und der so genannten effektiven Oberrohrlänge, welche die horizontale Linie meint, die vom oberen Ende des Steuerrohrs zum oberen Ende des Sitzrohrs verläuft. Während früher die tatsächliche Oberrohrlänge gebräuchlicher war, ist seit der Entwicklung der abfallenden Oberrohre die zweite Variante weiter verbreitet.

Generell gilt, dass ein Fahrrad mit kürzerem Oberrohr wendiger und leichter zu manövrieren ist, während ein Fahrrad mit längerem Oberrohr stabiler ist und bei längeren Touren mehr Komfort bietet.

Reach

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Der Reach ist der horizontale Abstand zwischen der Mitte des Tretlagers und dem oberen Ende des Steuerrohrs. Er hat Einfluss auf den Abstand zwischen Sattel und Lenker und damit die Körperhaltung, die der Fahrer beim Treten einnimmt. Im Allgemeinen bedeutet ein längerer Reach eine gestrecktere und tiefere Körperhaltung und ein kürzerer Reach eine aufrechtere und stabilere Fahrposition.

Stack

Der Stack bezeichnet die Höhe des Fahrradrahmens und wird von der Mitte des Tretlagers bis zum oberen Ende des Steuerrohrs gemessen. Der Stack ist im Grunde die tatsächliche Rahmenhöhe. Ein höherer Stack ermöglicht eine aufrechtere Haltung beim Fahren, ein niedrigerer Stack eine aerodynamischere Position.

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Wie bereits im Abschnitt zur Steuerrohrlänge erwähnt, kann der Stack durch Spacer im Gabelrohr vergrößert und durch Absenken des Vorbaus verringert werden.

Sitzrohrwinkel

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Der Sitzrohrwinkel meint den Winkel zwischen Sitzrohr und Boden. Ein größerer Sitzrohrwinkel lässt den Fahrer effizienter in die Pedale treten und erleichtert das Handling. Zusätzlich nimmt der Fahrer eine nach vorne gerichtete Körperhaltung ein, was besonders bei steilen Anstiegen von Vorteil ist. Ein kleinerer Winkel hingegen verlagert den Körperschwerpunkt des Fahrers nach hinten und sorgt vor allem auf langen Touren für optimalen Komfort. Außerdem bietet ein kleinerer Winkel mehr Stabilität und Kontrolle bei Abfahrten.

Radstand

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Der Radstand ist der Abstand zwischen Vorder- und Hinterachse. Er beeinflusst vor allem die Stabilität und das Handling des Fahrrads. Ein kürzerer Abstand macht das Fahrrad wendiger und leichter zu manövrieren, kann aber auch dazu führen, dass das Bike bei höheren Geschwindigkeiten instabil wird. Ein größerer Abstand zwischen den Achsen sorgt für mehr Komfort und Stabilität, was im Hinblick auf Geschwindigkeit und Kontrolle auf unebenem Gelände einerseits von Vorteil sein kann, andererseits aber auch das Handling erschwert.

Kettenstrebenlänge

Die Kettenstrebenlänge gibt den Abstand zwischen der Hinterradachse und der Mitte des Tretlagers an. Eine kürzere Kettenstrebe ermöglicht eine höhere Tretleistung durch bessere Kraftübertragung. Außerdem wird die Traktion des Hinterrades verbessert, da mehr Gewicht auf ihm lastet. Dadurch wird das Ansprechverhalten des Fahrrads verbessert, es beschleunigt schneller und ist sowohl auf steilen als auch auf flachen Strecken wendiger und leichter zu handhaben.


Auf der anderen Seite sorgt eine längere Kettenstrebe für mehr Stabilität und Kontrolle bei Abfahrten sowie für eine bessere Stoßdämpfung und damit für mehr Fahrkomfort.

Tretlagerhöhe

Die Tretlagerhöhe meint den Abstand zwischen der Mitte der Tretlagerachse und dem Boden. Sie beeinflusst in erster Linie die Stabilität des Fahrrads und sein Ansprechverhalten bei Kurven und Hindernissen. Außerdem hat die Tretlagerhöhe Einfluss darauf, wo der Körperschwerpunkt des Fahrers liegt und wie effizient er in die Pedale treten kann.

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Eine geringere Höhe sorgt für eine stabilere Fahrposition, insbesondere in Kurven. Eine größere Höhe dagegen lässt das Fahrrad instabiler werden.

Fazit: Die Geometrie spielt eine wichtige Rolle für das Handling und das Ansprechverhalten des Fahrrads, doch solltest du immer im Hinterkopf haben, dass die hier genannten Grundlagen zwar in gewisser Weise für alle Arten von Fahrrädern gelten, die Geometrie aber letztlich immer von der jeweiligen Disziplin beeinflusst wird. Im Straßenradsport gibt es Räder, die für den Wettkampf konzipiert sind, und andere, die für entspanntes Radfahren gedacht sind. Im Mountainbike-Sport gibt es Fahrräder, die speziell für Downhill-Fahrten entwickelt wurden, während andere, wie z.B. Trailbikes, eher auf Vielseitigkeit ausgelegt sind.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, sich vor dem Kauf eines Fahrrads zu überlegen, wofür man es nutzen möchte, welches Gelände man befahren möchte und welches die persönlichen Vorlieben sind. Wenn du noch unsicher bist und nicht genau weißt, was du willst oder brauchst, lasse dich professionell beraten und probiere verschiedene Modelle aus. Bei der Wahl der richtigen Fahrradgröße spielen vor allem Stack und Reach eine wichtige Rolle, die anderen Aspekte der Fahrradgeometrie sind hier eher zweitrangig.

Grundsätzlich sollte die Geometrie eines Fahrrades so ausgelegt sein, dass sie eine gute Kombination aus Stabilität, Wendigkeit und Komfort bietet. Doch sollte man hierbei nie vergessen, dass die perfekte Geometrie im Wesentlichen von der jeweiligen Fahrraddisziplin abhängt. Das eine perfekte Fahrrad für alle Geländearten und Bedingungen zu finden, ist also so gut wie unmöglich.

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